Edition Zahnarztpraxis
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Edition Zahnarztpraxis mit Dentallabor
Urteil
Faktorerhöhung bei GOZ-Ziffer 2210
Das Verwaltungsgericht Hannover hat in einer aktuellen Entscheidung die Begründung einer Zahnarztpraxis bei der Berechnung der GOZ-Ziffer 2210 zum 3fachen Satz bestätigt. Die Berechnung erfolgte im Zusammenhang mit einer klinischen Funktionsanalyse. Berechnet wurden zu diesem Behandlungskomplex:
GOZ 8000 (klinische Funktionsanalyse einschl. Dokumentation Faktor 1), GOZ 8010 (Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers, auch Stützstiftregistrierung, je Registrat, Faktor 2,30),GOZ 8020 (Arbiträre Scharnierachsenbestimmung, Faktor 2,30), GOZ 8080 (Diagnostische Maßnahmen, Faktor 2,30), GOZ 2210 (Versorgung eines Zahnes durch eine Vollkrone (Hohlkehl- oder Stufenpräparation) überdurchschnittlicher Zeitaufwand u. Schwierigkeitsgrad, da weit subgingivale Präparation, Einfassung des sichtbaren oberen palt. Wurzelbereichs, Faktor 3,00)
In einer schriftlichen Ergänzung führte der Zahnarzt aus: „Präparation Zahn 26: Präparation einer zirkulären Stufe zur Aufnahme einer Keramikkrone. Dabei wurde aufgrund eines Defektes in der palatinalen Wurzel diese mit in die Präparation einbezogen. Aufgrund des naheliegenden Wurzelkanals ist dies ein zeitaufwändiger und schwieriger Vorgang, da nicht zuviel und dennoch ausreichend Substanz abgetragen werden muss.“
Die Beihilfestelle weigert sich, die Begründung zu akzeptieren und der beihilfeberechtigte Patient erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover. Das Gericht gab dem Patienten in seiner ganz aktuellen Entscheidung Recht und bestätigte die von dem Zahnarzt gegebene Begründung für den Ansatz des Faktors 3,0 bei der GOZ-Ziffer 2210. Allerdings hat das Gericht in Orientierung an § 9 der betroffenen Beihilfeverordnung die GOZ-Ziffern 8010, 8020 und 8080 als nicht beihilfefähig bewertet. Dies ändert aber selbstverständlich nichts an der Berechnungsfähigkeit.
- Das Urteil
In seinen Entscheidungsgründen zum Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 14. Mai 2014 (Az. 13 A 8004/13) führte das Gericht hierzu aus:
„Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf eine weitergehende Beihilfe hinsichtlich der GOZ-Ziffern 8010, 8020 und 8080 (funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen), wohl aber auf eine Beihilfe hinsichtlich der GOZ-Ziff. 2210 auch insoweit, als hier der Schwellenwert überschritten wurde.
Gemäß § 9 Abs. 5 NBhVO sind Aufwendungen für ambulante funktionsanalytische und ambulante funktionstherapeutische Leistungen nur bei Vorliegen einer der folgenden Indikationen oder Maßnahmen beihilfefähig: Kiefergelenk- oder Muskelerkrankung, Zahnfleischerkrankung, die eine systematische Parodontalbehandlung erfordert, Behandlung mit Aufbissbehelfen mit adjustierten Oberflächen nach den Nummern 7010 und 7020 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte, umfangreiche kieferorthopädische Maßnahme einschließlich kieferorthopädisch-kieferchirurgischer Operation und umfangreiche Gebisssanierung.
Nach dem vorgelegten „Beiblatt zum Klinischen Funktionsstatus“ hat der Zahnarzt beim Kläger aber als Grund der funktionsanalytischen Maßnahme lediglich „ungleichmäßige Belastungsverhältnisse in Zusammenhang mit Zahn-/Kieferfehlstellung“ angegeben. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 NBhVO liegen nach alledem nicht vor.
Der Kläger hat allerdings einen Anspruch auf eine Beihilfe hinsichtlich der GOZ-Ziff. 2210, soweit der Zahnarzt mehr als das 2,3fache des einfachen Gebührensatzes berechnet hat.
Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg […], der das Gericht folgt, folgt aus der Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte für die Abrechnung der Ärzte nach dem 2,3-fachen Schwellenwert […], dass der Arzt den Schwellenwert des 2,3-fachen Gebührenwertes dann überschreiten kann, wenn er überdurchschnittliche Schwierigkeiten, einen überdurchschnittlichen Zeitaufwand der Leistungen oder überdurchschnittlich schwierige Umstände der Ausführung schriftlich begründet …. Im Hinblick darauf trifft die von der Beklagten vertretene Auffassung nicht zu, dass Behandlungen, die überdurchschnittlich aufwändig oder schwierig, aber eben noch nicht durch ungewöhnliche Besonderheiten gekennzeichnet seien, zwar die volle Ausschöpfung des Schwellenwertes von 2,3 Gebühren rechtfertigten, nicht aber seine Überschreitung.
Allerdings muss die Begründung überdurchschnittlicher Schwierigkeiten gleichwohl die in § 5 Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz GOZ a. F. genannten Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien aufzeigen. Die Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes setzt danach voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde […]
Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Patienten eine lediglich grobe Handhabe zur Einschätzung der Berechtigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs zu geben, sind allerdings keine überzogenen Anforderungen an eine ausreichende Begründung zu stellen […]
Nach diesen und den von dem Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäben ist die in der Rechnung vom 10.06.2013 ursprünglich alleinige Begründung zwar nicht geeignet, überdurchschnittliche Schwierigkeiten und damit eine Überschreitung des 2,3-fachen Schwellenwertes zu begründen. Dass die Präparation für die Einlagefüllung die Gingivagrenze erreicht oder auch darunter liegt, ist nicht außer-gewöhnlich. In aller Regel liegt - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - der Kronenrand unterhalb des Zahnfleisches. Denn die Zahnkrone soll weitgehend in den Boden der Zahnfleischtasche gelegt werden. „Weit subgingival“ beschreibt die Lage der zu präparierenden Stelle hingegen nur pauschal und lässt ohne nähere Ausführungen nicht erkennen, ob die Präparation hier so tief unter Gingivaniveau erfolgt ist, dass daraus überdurchschnittliche Schwierigkeiten erwachsen sind. Denn der Begriff „weit“ ist insoweit nicht besonders aussagekräftig.
Allerdings hat der Zahnarzt des Klägers unter dem 27.03.2014 seine bisherige Begründung ergänzt. Zusammen mit der zuvor schon gegebenen Begründung lassen sich in diesem Fall nunmehr patientenbezogene Besonderheiten feststellen, die über dem Durchschnitt liegen und damit auch ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen. Nach der unbestrittenen Darstellung des Zahnarztes war der klägerische Zahn 26 bereits mit einer weit unter das Zahnfleisch reichenden Goldkrone versorgt. Auf der palatinalen Seite war die Zahnwurzel danach aufgrund einer Gingivalrezession schon sichtbar und oberflächlich abgetragen, so dass sie bei der Neuversorgung mit einbezogen werden musste. Es ist nachvollziehbar, dass die eine erhöhte Aufmerksamkeit und einen erhöhten Zeitaufwand für den Zahnarzt bedeutet, zumal im Fall des Klägers des Zahnnervs nur einen Millimeter entfernt war. Diese Begründung lässt eine Überschreitung des Schwellenwertes und den Ansatz eines Faktors von 3,0 zu. Das berechnete Honorar ist insoweit nach alledem noch angemessen.“
- Kommentar
Diese Entscheidung zeigt wieder in aller Deutlichkeit, dass zwischen „berechnungsfähig“ und „erstattungsfähig“ – hier „beihilfefähig“ zu unterscheiden ist. Nicht alles, was der Zahnarzt nach der GOZ berechnen darf, ist zugleich von der Erstattungspflicht abgedeckt. Allerdings hängt die Erstattungsfähigkeit davon ab, dass eine Leistung berechnungsfähig ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die private Krankenversicherung des Patienten, welche die Beihilfe regelmäßig ergänzt, erstattet haben wird.
- Handlungsempfehlung
Der Unterschied zwischen „berechnungsfähig“ und „erstattungsfähig“, muss dem Patienten klar gemacht werden. Der Patient muss verstehen, dass meist keine 100%iger Absicherung wegen der Kostenübernahme vereinbart ist. Wichtig ist dabei, dass der Patient nicht den unberechtigten Eindruck gewinnt, die Rechnung sei nicht ordnungsgemäß erstellt, da dies eine unnötige Belastung des Arzt-Patienten-Verhältnisses begründen könnte.