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Urteil
Haftung für sprachbedingte Verständnisprobleme beim Aufklärungsgespräch
Wie aber ist ein Fall zu beurteilen, in dem ein Patient zwar deutsch spricht, aber nur eingeschränkt und nach einer Behandlung später in einem Haftungsverfahren behauptet, er habe nicht alles verstanden? Grundsätzlich kann die nicht hinreichende Aufklärung zu einer Haftung des Zahnarztes führen. Zu einer hinreichenden Aufklärung – denn nur diese kann zu einer wirksamen Einwilligung führen – gehört es, dass sich der aufklärende Zahnarzt vergewissert, ob der Patient ihn auch verstanden hat.
- Das Urteil
Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Koblenz in zweiter Instanz zu beurteilen. Im Ergebnis hat das Gericht bestätigt, dass die Aufklärung ausreichend gewesen ist, da der Patient in dem Aufklärungsgespräch mehrfach Rückfragen gestellt hat. Allerdings hatte der Patient dann später behauptet, er habe trotzdem nicht alles verstanden und nur nicht noch mehr Fragen stellen wollen. Für die rechtliche Beurteilung ausschlaggebend war für das Gericht aber, dass der Zahnarzt gerade wegen der Fragen des Patienten davon ausgehen durfte, dieser hätte weitere Fragen gestellt, wenn ihm noch etwas unverständlich geblieben wäre. Im Rahmen der Beweiswürdigung kam dem Zahnarzt zudem zu Gute, dass er beweisen konnte, dass er routinemäßig immer dieselben Aufklärungsinhalte mit den Patienten bespricht, so dass auch für den Fall des konkreten Patienten davon ausgegangen werden konnte, dass es keine Abweichung gegeben habe.
Den Entscheidungsgründen des Beschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25.02.2014 (Az. 5 U 1535/13) ist zu entnehmen:
„Die Berufung meint allerdings, dass eine entsprechende Routineaufklärung im vorliegenden Fall nicht zielführend gewesen sei, weil die Klägerin Sprachprobleme gehabt habe. Dazu hat diese im Rahmen ihrer Anhörung mitgeteilt: "Wenn ich etwas nicht verstanden habe, dann habe ich nachgefragt. Manchmal habe ich dann aber auch nicht mehr nachgefragt, obwohl ich etwas nicht verstanden hatte." Das mag die Annahme gestatten, dass es am Ende nicht gelungen war, alle erforderlichen Informationen "hinüberzubringen". Aber daraus lässt sich eine Inanspruchnahme des Beklagten nicht herleiten. Denn das offensichtliche Bestreben der Klägerin, Verständnisdefizite durch Fragen zu beheben, musste den Eindruck erwecken, dass am Ende nichts mehr offen geblieben war. Der so begründete Eindruck schließt jedenfalls ein Verschulden auf Beklagtenseite aus.“
Der Leitsatz des Beschlusses fasst das Wesentliche recht treffend zusammen:
„Fragt ein Patient mit Migrationshintergrund beim Aufklärungsgespräch mehrmals in einer Weise nach, dass die weitere Reaktion auf die Erläuterungen des Zahnarztes diesem den Eindruck vermitteln durfte, nunmehr habe der Patient alles verstanden, ist ein möglicherweise gleichwohl verbliebenes Aufklärungsdefizit vom Zahnarzt nicht verschuldet und daher auch nicht haftungsbegründend.“
- Kommentar
Diese Entscheidung ist zu begrüßen, da sie die Anforderungen für die Aufklärung eines in seinem sprachlichen Verständnis eingeschränkten Patienten auf ein praktikables Maß beschränkt. Nur für den Fall, dass ein Patient offensichtlich nichts versteht, kann anderes gelten. Sind für den Behandler aber keine Anzeichen erkennbar, dass ein Patient die Aufklärung nicht versteht, muss er auch nicht davon ausgehen, dass es genau anders ist.
- Handlungsempfehlung
Es ist zu empfehlen, den Patienten im Verlauf des Aufklärungsgespräches zur fragen, ob er alles verstanden hat oder noch Fragen hat. Im Zweifel sollte dies auch dokumentiert werden. Entsteht allerdings der klare Eindruck, der Patient hat die Aufklärung nicht verstanden, ist Vorsicht geboten. Zur Not muss der Patient wieder nach Hause geschickt werden und für den nächsten Termin ein Übersetzer organisiert werden. Dies kann wie gesagt durchaus auch ein Freund oder ein Angehöriger des Patienten sein.
Dr. Susanna Zentai
Rechtsanwältin