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Urteil
Wirksames Wehren gegen Beihilfe-, Zuschnellfahr-, und sonstige Bescheide
An den Widerspruch werden weiterhin besondere Formvorschriften gestellt. Gemäß § 70 der Verwaltungsgerichtsordnung muss der Widerspruch nach Bekanntgabe schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetztes oder zur Niederschrift bei der Behörde erhoben werden. Für die Niederschrift bei der Behörde muss die Widerspruch einlegende Person persönlich bei der Behörde erscheinen. Das kann die Behörde sein, die den Bescheid erlassen hat oder die Behörde, die den Widerspruchsbescheid erlassen soll. Für die im Gesetz vorgesehene elektronische Form bedarf es einer bestimmten Signatur und eines bestimmten elektronischen Weges. In den ganz überwiegenden Fällen werden die Widersprüche von den Bürgern in schriftlicher Form eingelegt. Eine gesetzlich angeordnete Schriftform erfordert nach § 126 BGB, dass das Dokument von seinem Urheber eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden muss.
Ein Widerspruch, der zwar unterzeichnet, aber als eingescannter Anhang einer E-Mail an die Behörde versandt wird, genügt dieser Schriftformerfordernis nicht. Dies hat das Verwaltungsgericht Hamburg bezüglich einer Bescheides wegen Rundfunkgebühren jüngst entschieden.
- Das Urteil
In seinen Entscheidungsgründen führt das Verwaltungsgericht Hamburg zu seinem Urteil vom 31.07.2023 (Az. 3 K 1110/23) aus:
„So stellt die von ihm an die Beklagte gerichtete einfache E-Mail vom 19.10.2022 keine formgerechte Widerspruchserhebung dar. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Erhebung des Widerspruchs schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 VwVfG bzw. HmbVwVfG oder zur Niederschrift der Behörde zu erfolgen. Geschieht dies nicht, ist der Widerspruch unzulässig. Sowohl die Einhaltung der Form-, als auch der Fristvorschriften sind Zulässigkeitsvoraussetzung für den Widerspruch… . Die E-Mail des Klägers an die Beklagte vom 19.10.2022 stellt dabei keine schriftliche Widerspruchseinlegung dar. Die Einhaltung der Schriftform setzt voraus, dass der Widerspruch von seinem Verfasser handschriftlich unterzeichnet ist… . Die (vermutlich) vom Kläger stammende E-Mail an die Beklagte vom 19.10.2022 erfüllt die Schriftform daher nicht. Eine einfache E-Mail, wie (vermutlich) der Kläger sie vorliegend an die Beklagte gerichtet hat, ist zur formgerechten Einlegung eines Widerspruchs nicht ausreichend, da hierbei die Gewähr des richtigen Absenders nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres, erkennbar ist… . Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger seiner E-Mail vom 19.10.2022 offenbar eine unterschriebene und gescannte Fassung seines Widerspruchs beigefügt hat, welche die Beklagte offenbar am 20.10.2022 zur Akte genommen und dem Kläger auf seine E-Mail geantwortet hat. Die Übermittlung eines Widerspruchs in der Form einer an eine einfache E-Mail angehängten Datei wahrt die Schriftform nicht, auch wenn diese eine eingescannte Unterschrift erkennen lässt. In § 70 Abs. 1 VwGO ist abschließend geregelt, in welcher Form der Widerspruch eingelegt werden kann. Eine elektronische Übermittlung ist dabei zwar zulässig, allerdings nur dann, wenn die Anforderungen nach § 3a Abs. 2 VwVfG bzw. § 3a HmbVwVfG erfüllt sind. Daher genügt ein elektronisches Dokument nur dann der elektronischen Form, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder über einen in § 3a Abs. 2 Satz 4 HmbVwVfG genannten Übermittlungsweg übermittelt wird. Diese Voraussetzungen erfüllt die an die einfache E-Mail des Klägers angehängte Datei nicht, auch wenn sie eine eingescannte Unterschrift enthält. Sie kann vor diesem Hintergrund auch nicht als schriftliche Erhebung des Widerspruchs gewertet werden, auch wenn die Beklagte diese Datei möglicherweise ausgedruckt und – jedenfalls – zur Akte genommen hat. Die in einem solchen Fall die Einhaltung der Schriftform annehmende Rechtsprechung… überzeugt nicht. Allein der Ausdruck eines elektronisch per einfacher E-Mail als Datei übermittelten Widerspruchsschreibens entspricht nicht den Anforderungen des § 70 Abs. 1 VwGO an die Schriftform eines Widerspruchs. Dies gilt unabhängig davon, ob die übermittelte Datei eine Unterschrift enthält oder auf welche Weise diese Unterschrift generiert wurde. Denn wenn ein Absender zur Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes als prozessualen Weg die elektronische Übermittlung eines Dokuments wählt, sind für die Beurteilung der Formrichtigkeit allein die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen maßgebend. Ein Rückgriff auf Rechtsprechungsgrundsätze, die entwickelt wurden, um bei Nutzung technischen Übermittlungsformen wie Telefax oder Computerfax die Einhaltung der Schriftform begründen zu können, kommt zur „Heilung“ von Mängeln der elektronischen Übermittlung i.S.d. § 3a Abs. 2 HmbVwVfG daher nicht in Betracht ….
Nach seinem Sinn und Zweck ist § 3a HmbVwVfG als abschließende Regelung aller Fallgestaltungen elektronischer Kommunikation anzusehen. § 3a Abs. 2 HmbVwVfG sieht ausdrücklich vor, dass elektronisch übermittelte Dokumente nur bei Einhaltung besonderer Sicherheitsanforderungen einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, nämlich wenn eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird. Die Signatur ist als Funktionsäquivalent zur Unterschrift anzusehen. Hintergrund der Regelung ist, dass gewährleistet sein muss, dass das elektronische Dokument dem angegebenen Absender zuzurechnen ist (Authentizität) und inhaltlich (Integrität) durch die Übermittlung nicht verändert werden konnte (BT-Drs. 17/11473, S. 49).“
- Kommentar
Die Erhebung eines Widerspruches erfolgt nach streng vorgegebenen Regeln, von denen keine Abweichung akzeptiert wird. Auch wenn es vereinzelt abweichende Rechtsprechung geben mag, sollten die Formalitäten eingehalten werden. Das Risiko – aus rein formalen Gründen mit seinem Widerspruch zu scheitern – ist zu hoch.
- Handlungsempfehlung
Ein Widerspruch muss rechtzeitig und in der Regel schriftlich und unterschrieben bei der richtigen Behörde eingereicht werden. Diese Voraussetzungen werden in der so genannten Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheides ausdrücklich erläutert. Bei Nichteinhaltung dieser Voraussetzungen wird der Widerspruch alleine deswegen abgewiesen, selbst wenn der Widerspruch inhaltlich zu einer Aufhebung des Bescheides geführt hätte.
Dr. Susanna Zentai
Rechtsanwältin
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