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Urteil
Formansprüche bei Arbeitszeugnissen
In einem vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz verhandelten Arbeitsrechtsstreit verlangte der ehemalige Arbeitnehmer unter anderem bestimmte Formalien des Arbeitszeugnisses.
Der klagende ehemalige Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, er habe Anspruch auf Erteilung eines ungetackerten und ungeknickten Zeugnisses, weil es ansonsten nicht als Bewerbungsunterlage geeignet sei. Das erste ihm ausgestellte und nun beanstandete Zeugnis (erste Fassung) sei oben links mit einem starken Eselsohr versehen und getackert gewesen. Dies habe man beim Fertigen einer Kopie deutlich sehen können. Ein sichtbar geknicktes und getackertes Zeugnis indiziere nach der Zeugnissprache, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen sei. Ein Zeugnis müsse so ausgehändigt werden, dass man es kopieren könne, ohne dass sich in der Kopie Falz- oder Klammerstellen abzeichnen. Eselsohren deuteten sogar auf eine Kundgabe der Missachtung hin… In gleicher Weise sei ihm im Schlusssatz des Zeugnisses "weiterhin viel Erfolg" zu wünschen, weil ein Weglassen dieses bei "guten" Arbeitszeugnissen selbstverständlichen Wunsches zwangsläufig indiziere, dass ihm bewusst kein gutes Zeugnis erteilt werden solle.
- Das Urteil
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied mit seinem Urteil vom 09.11.2017 (Az. 5 Sa 314/17), dass der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm geforderten Formalien habe. In seinen Entscheidungsgründen führt das Gericht aus:
„Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht… . Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Leistung und Verhalten erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO. Das dem Kläger erteilte Zeugnis genügt entgegen der Ansicht der Berufung den gesetzlichen Anforderungen.“
Kein Anspruch auf ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis
„Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, erfüllt ein Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, z. B. durch Schwärzungen… . Damit kann der Kläger kein ungeknicktes Zeugnis verlangen. Auch der vom Kläger zitierte Autor Hans Gottlob Rühle (Folge 7: "Kein Anspruch auf ungefaltetes Zeugnis"), der Praxistipps im Internet veröffentlicht, vertritt die Ansicht, dass insbesondere keine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, das Zeugnis in einem DIN A4 Umschlag ungefaltet und in besonderer Weise durch Verstärkung geschützt zu übersenden.
Hinzu kommt, dass die Beklagte vorgetragen hat, sie habe dem Kläger alle bisher erstellten Zeugnisse (Erstexemplar und außergerichtlich geänderte Fassungen) ungeknickt mit der Post übersandt. Im ersten Fall sei der Briefkasten des Klägers nach ihren Informationen völlig überfüllt gewesen, so dass der Postbote den DIN A4 Umschlag offensichtlich in den Briefkasten "hineingeknüllt" habe, um überhaupt die Zustellung zu bewirken. Das mit der Klageschrift angegriffene Zeugnis (geänderte Fassung) habe sie ebenfalls in einem DIN A4 Umschlag per Post versandt. Obwohl sie dem Anwalt des Klägers mitgeteilt habe, dass sie kein Zeugnis mehr verschicken wolle, sondern es an ihrem Standort Mainz zur Abholung bereithalten werde, habe der Klägervertreter … erneut um Versendung gebeten. Es war dem in A-Stadt wohnhaften Kläger nicht unzumutbar, das Zeugnis in Mainz abzuholen oder durch einen beauftragten Boten abholen zu lassen (zur Holschuld vgl. BAG 08.03.1995 - 5 AZR 848/93). Es grenzt schon an Rechtsmissbrauch über zwei In-stanzen ein ungeknicktes Zeugnis einzuklagen, anstatt es sich bei der Beklagten - wie angeboten - an seinem früheren Arbeitsort (Entfernung zur Wohnung ca. 11 Kilometer) abzuholen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ein ungetackertes Zeugnis. Auf seine subjektiven Vorstellungen, die er zu einer allgemein verschlüsselten Bedeutung der Verwendung von Heftklammern entwickelt hat, kommt es nicht an. Das erteilte Ar-beitszeugnis besteht aus zwei Seiten. Auch wenn eine feste körperliche Verbindung einzelner Blätter einer Urkunde, die (nur) am Ende des Textes unterzeichnet ist, nach der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ nicht erforderlich ist, wenn sich deren Einheitlichkeit aus anderen eindeutigen Merkmalen zweifelsfrei ergibt… , stellt es kein unzulässiges Geheimzeichen dar, wenn der Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses mit einem Heftgerät körperlich miteinander verbindet (ugs. "tackert"). Anders als der Kläger meint, gibt es keinerlei Belege dafür, dass ein "getackertes Zeugnis" einem unbefangenen Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnis signalisiert, der Zeugnisaussteller sei mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen. Der Kläger verkennt, dass es auf die Sicht des objektiven Empfängerhorizonts und nicht auf vereinzelt geäußerte Rechtsansichten ankommt, selbst wenn sie im Internet zu "Geheimcodes" kursieren… .“
Kein Anspruch auf bestimmte Grußformeln
„Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, im Schlusssatz des Zeugnisses einen Ausdruck des Bedauerns ("Wir bedauern dies sehr") und gute Wünsche ("weiterhin viel Erfolg") aufzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, im Schlusssatz des Zeugnisses persönliche Empfindungen, wie Bedauern, Dank oder gute Wünsche, zum Aus-druck zu bringen. Ist ein Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber verwendeten Schlussformel nicht einverstanden, hat er keinen Anspruch auf Ergänzung oder Umformulierung, sondern auf ein Zeugnis ohne jeden Schlusssatz… .“
Freiheiten des Arbeitgebers
Ganz allgemein erklärt das Landesarbeitsgericht Rheinlandpfalz in seinen Entscheidungsgründen, dass sich der Arbeitgeber nicht alle Einzelheiten für seine Formulierungen im Arbeitszeugnis diktieren lassen muss:
„Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger keine inhaltlichen Änderungen am Zeugnistext verlangen kann. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Die Formulierung und Ausdrucks-weise steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat insoweit einen Beurteilungsspielraum. Dies gilt insbesondere für die Formulierung von Werturteilen. Sie lässt sich nicht bis in die Einzelheiten regeln und vorschreiben. Solange das Zeugnis allgemein verständlich ist und nichts Falsches enthält, kann der Arbeitnehmer da-her keine abweichende Formulierung oder eine abweichenden Gliederung verlangen… .“
- Kommentar
Diese Entscheidung trifft klare und verständliche Worte. Die Begründungen sind logisch und leicht nachzuvollziehen. Selbstverständlich kann ein Arbeitnehmer bezüglich des Zeugnisses Änderungswünsche formulieren. Dabei ist lange nicht alles vom Arbeitgeber auch umzusetzen.
- Handlungsempfehlung
Um unerfreuliche Streitigkeiten nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, empfehlen sich – soweit möglich – von vornherein angemessene Inhalte und formale Gestaltungen.