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Urteil
Praxis darf Mitarbeiter/innen Gelnägel verbieten
Das hat das Arbeitsgericht Aachen entschieden. In dem Verfahren ging es zwar um Heimmitarbeiter. Eine Mitarbeiterin hatte gegen eine Dienstanweisung geklagt, die ihr das Tragen von Gelnägeln untersagte. Konkret wurde in der Dienstanweisung verlangt, nur mit natürlichen und kurz geschnittenen Fingernägeln zu arbeiten. Die Urteilsbegründung lässt sich auf Zahnarztpraxen übertragen.
- Das Urteil
In den Entscheidungsgründen zu seinem Urteil vom 21.02.2019 (Az. 1 Ca 1909/18) führte das Arbeitsgericht Aachen aus:
„Die Anweisung, wie die Klägerin ihre Fingernägel zu gestalten und zu tragen hat, kann auch grundsätzlich Gegenstand des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gemäß § 106 GewO sein.
Das Weisungsrecht betrifft zum einen die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht. Ebenfalls vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst, weil zur „Leistung der versprochenen Dienste“ im Sinne des § 611 Abs. 2. BGB zählend, ist jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Als derartige Tätigkeit kann zum Beispiel das vorherige Anlegen einer arbeitgeberseitig vorgeschriebenen Dienstkleidung oder das Unterlassen des Tragens bestimmter privater Kleidungsstücke anzusehen sein… . Auch die vorliegend streitige Anweisung, nur mit natürlichen und kurz geschnittenen Fingernägeln zu arbeiten, hängt mit der Erbringung der Arbeitsleistung zusammen und betrifft das Erscheinungsbild, das die Klägerin als Arbeitnehmerin bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu wahren hat. … Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind… . Danach entspricht die Dienstanweisung, die das Tragen langer Fingernägel, lackierter Fingernägel, künstlicher Fingernägel und von Gelnägeln im Dienst unter-sagt, billigem Ermessen. Die Beklagte hat hiermit den ihr zustehenden Spielraum bei einer Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien zur Gewährleistung ihrer überwiegenden Interessen gewahrt.“ Das Gericht hat in seiner Abwägung dem Recht der Mitarbeiterin auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit ausreichend Raum gegeben. „Zugunsten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die nunmehr geltende Dienstanweisung ihr grundrechtlich gewährleistetes und geschütztes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 2. GG einschränkt. Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht, über die Gestaltung der äußeren Erscheinung auch im Dienst eigenverantwortlich zu bestimmen… . Die Grundrechte gelten auch innerhalb des Arbeitsverhältnisses und sind seitens der Beklagten als Arbeitgeberin grundsätzlich zu beachten. Das nunmehr ausgesprochene Verbot, künstliche, lackierte, gegelte und lange Fingernägel zu tragen, schränkt dieses Recht der Klägerin ein. Sie kann nicht mehr selbst entscheiden, wie sie ihre Fin-gernägel als Teil ihres äußeren Erscheinungsbildes gestalten möchte. Da das Auf-tragen der von der Klägerin zuvor getragenen Gelnägel mit einem besonderen Zeit- und auch Kostenaufwand verbunden ist, wirkt sich die nunmehrige Dienstanweisung der Beklagten zugleich auch auf das Privatleben der Klägerin aus. Sie hat nicht ohne weiteres die Möglichkeit, die Gelnägel lediglich für die Zeiten des Dienstes abzulegen und in der Freizeit ohne größeren Aufwand wieder zu tragen.“ Das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin wird mit geltenden Hygienevorschriften abgewogen.
„Demgegenüber hat die Beklagte ein besonderes Interesse daran, die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der ihr anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner bestmöglich zu schützen. Auch dieses Recht auf körperliche Unversehrtheit ist in Art. 2 Abs. 2 S. 2. GG grundrechtlich besonders geschützt. Die von der Be-klagten angeführten Hygienevorschriften und -standards sollen dieses Recht gewährleisten und verhindern, dass die Bewohnerinnen und Bewohner erkennbaren und vermeidbaren Gesundheitsgefahren ausgesetzt werden. Der Beklagten obliegt gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern, die sie in Obhut genommen hat, eine besondere Fürsorgepflicht. Sie hat als Betreiberin des Altenheims dafür Sorge zu tragen, dass von ihrer Einrichtung, den dortigen Zuständen und insbesondere auch von den dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Gesundheitsgefahren für die Bewohnerinnen und Bewohner ausgehen.
Bei der Abwägung dieser widerstreitenden Interessen durfte die Beklagte nach Auffassung der Kammer die Angaben und Empfehlungen im Gesundheitsblatt, wiederholt auch vom Robert Koch Institut, zugrunde legen. Diese Empfehlungen beruhen auf einem besonderen diesbezüglichen Fachwissen und sollen gerade die auch hier maßgebliche Fragen beantworten, ob von langen, künstlichen und gegelten Fingernägeln Gesundheitsgefahren ausgehen und wie diesen am effektivsten begegnet werden kann. Im Bundesgesundheitsblatt (Bl. 28 der Akte) heißt es auszugsweise:
„Die Voraussetzungen für eine effektive Händedesinfektion sind nur z.T. untersucht und leiten sich überwiegend aus der hygienischen Risikobewertung ab. Klinik, Praxis, Pflegeeinrichtungen und andere medizinische Arbeitsbereiche sind mit sichtbar sauberen Händen und Fingernägeln zu betreten. (…) Kurzgeschnittene, mit den Fingerkuppen abschließende Fingernägel gewährleisten die Reinigung der subungutalen Spatien und minimieren die Gefahr der Handschuhperforation an den Fingerkuppen. Nagellack ist abzulehnen, weil er die Sichtbeurteilung der Nägel behindert und mit steigender Tragedauer die Kolonisation auf den Nägel zunimmt. Obwohl der Einfluss bei frischem Nagellack nicht nachweisbar war, ist die Empfehlung, keinen Nagellack im Gesundheitswesen zu tragen, berechtigt, weil das Alter des Nagellacks und dessen Güte (Mikrorisse u. ä.) in praxi nicht beurteilbar sind. Die Bakterien-dichte ist auf künstlichen Nägeln höher als auf natürlichen. Zugleich beeinträchtigen künstliche Nägel den Erfolg der Händehygiene und erhöhen die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe. Wiederholt konnten künstliche Nägel als Quelle für NI (nosokomiale Infektionen) bei immunsupprimierten Patienten und für Ausbrüche postoperativer Wundinfektionen identifiziert werden. (…)“
Auch die Empfehlungen des Robert Koch Instituts (Bl. 27 der Akte) zitieren diese Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Hier heißt es weiter:
„In Kapitel 11 der (KRINKO-) Empfehlung heißt es weiter: „Nagellack ist nicht zulässig (…). Das Tragen künstlicher und gegelter Fingernägel ist unzulässig (…).“
Die hier aufgeführten Aussagen und Empfehlungen sind eindeutig und unmissverständlich. Aus Hygienegesichtspunkten wird hier deutlich empfohlen, aus-schließlich natürliche und kurz geschnittene Fingernägel zu tragen. Dies wird zum einen damit begründet, dass hierdurch eine bessere Sichtkontrolle für etwaige Verunreinigungen ermöglicht wird und die Gefahr von Beschädigungen von Einmalhandschuhen minimiert wird. Zum anderen wird auf eine erhöhte Bakteriendichte auf künstlichen Nägeln hingewiesen ebenso wie die Möglichkeit von Materialermüdung des Lacks im Laufe der Zeit.“
- Kommentar
Nachdem die Empfehlungen eindeutig sind, ist das Urteil nachvollziehbar und begründet.
- Handlungsempfehlung
Die eindeutigen Empfehlungen sollten in allen Zahnarztpraxen Berücksichtigung finden.