Edition Zahnarztpraxis
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Edition Zahnarztpraxis mit Dentallabor
Urteil
Wann beginnt eine zahnärztliche Behandlung?
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der genaue Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ausschlaggebend für die Frage war, zu wie viel Prozent die Material- und Laborkosten zu erstatten waren. Im konkreten Fall war es so, dass nach der Regelung in der Beihilfeverordnung die Beihilfe für Material- und Laborkosten auf 70% begrenzt wurden. Allerdings galt diese Begrenzung nicht für Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen, die vor dem 01.01.2013 begonnen worden sind und bis spätestens 31.12.2013 abgeschlossen wurden. Der gegen die Beihilfestelle klagende Beamte vertrat – zurecht – den Standpunkt, seine Behandlung habe bereits am 05.11.2012 begonnen, da hier der Zahnarzt untersucht habe, welche Zähne überkront werden müssten.
- Das Urteil
Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab dem Beamten Recht und verurteilte die Beihilfestelle zu einer Nachzahlung in Höhe von 462,97 €. In seinen Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht Stuttgart (Urteil vom 06.09.2012, Az. 3 K 2570/13) aus:
„Der Begriff der „Behandlung“ umfasst als notwendigen ersten Schritt die Zahnuntersuchung und die hierauf basierende Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit und -planung. Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der teleologischen Auslegung. Für die vergleichbare Übergangsregelung in § 28 Abs. 2 S. 6 SGB V hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung, die einen Behandlungsbeginn vor Vollendung des 18. Lebensjahrs voraussetzt, bzw. für die entsprechenden Bestimmungen in den bundes- und landesrechtlichen Beihilfebestimmungen ist in der Rechtsprechung der Sozial- und Verwaltungsgerichte anerkannt, dass auf den Zeitpunkt der Erstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans als Behandlungsbeginn abzustellen ist, auch wenn die eigentliche Behandlung erst danach beginnt … . Begründet wird dies damit, dass das Datum des Behandlungsplans in nachprüfbarer Weise die Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit sowie den Behandlungswunsch des Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des Zahnarztes belegt und andere denkbare Zeitpunkte erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen können. Dieser überzeugende Gesichtspunkt ist auch auf die Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 7 BVO übertragbar.
Die der eigentlichen Behandlung vorausgehende Untersuchung und die hieraus resultierende Behandlungsplanung leiten die Behandlung ein. Die eigentlichen Behandlungseingriffe erfolgen in Umsetzung des Behandlungsplans und setzen die Untersuchung fort. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn eine zeitliche Zäsur erfolgt und die Behandlung nicht in angemessenem zeitlichen Abstand zur einleitenden Untersuchung umgesetzt wird … . Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall gewesen. Insbesondere liegt eine Zäsur nicht darin, dass der Kläger zunächst den Kostenvoranschlag dem Landesamt für Besoldung und Versorgung zur Prüfung zugeleitet hat, obwohl dies nach den Beihilfevorschriften nicht erforderlich war. Denn die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zur Beihilfeverordnung vom 24.04.2012 - VwVBVO … sieht in den Schlussvorschriften ausdrücklich vor, dass sich der Beihilfeberechtigte bei Zweifeln über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen jederzeit mit der Bitte um Auskunft oder um Anerkennung der Beihilfefähigkeit dem Grunde nach (Anerkennungsbescheid) an seine Beihilfestelle wenden kann. Die Inanspruchnahme dieses Rechts kann deshalb nicht den Vorwurf begründen, der Kläger habe die Behandlung nicht in angemessenem zeitlichen Abstand zur Erstuntersuchung fortgesetzt.“
- Kommentar
Dieses Urteil ist erfreulich, da es klar nachvollziehbar ist. Die Festlegung des Behandlungszeitpunktes darf nicht zu Lasten des Patienten beliebig auslegbar sein. Dies würde zu einer Rechtsunsicherheit führen und den Patienten womöglich finanziell benachteiligen.
- Handlungsempfehlung
Dieser Sachverhalt zeigt erneut, wie wichtig eine ordnungsgemäße Dokumentation ist. Nur der beweisbare Behandlungsbeginn wird dem Patienten im möglichen Streitfall von Nutzen sein.