Edition Zahnarztpraxis
Edition Dentallabor
Edition Zahnarztpraxis mit Dentallabor
Urteil
"unverbindliche Beratung" als Werbung - Vorsicht
„Unverbindliche Beratung
Fülle den Bogen aus und wir benachrichtigen über WhatsApp für eine unverbindliche Beratung in B. . Wir erklären dir wie die Behandlung bei uns im T. funktioniert & beantworten dir alle deine Fragen. Eine Sofortsimulation deines zukünftigen Lächelns erhältst du ebenfalls bei deiner ersten Beratung.
Wir freuen uns auf dich!
Zahnärzte:
Frau Dr. X
Herr Dr. Y "
Die zuständige Zahnärztekammer untersagte der Praxis diese Veröffentlichung. Mit Bescheid untersagte sie konkret, zahnärztliche Leistungen, denen eine individuelle Beratung oder Untersuchung von Patienten zu Grunde liegt, als unverbindliche Beratung zu bewerben, sowie damit zu werben, dass ein bestimmter Behandlungserfolg mit Sicherheit erwartet werden kann und insbesondere wie folgt zu werben: "Eine Sofortsimulation deines zukünftigen Lächelns erhältst du ebenfalls bei deiner ersten Beratung."
- Das Urteil
Es kam zum Gerichtsverfahren. Die Zahnarztpraxis verklagte die Zahnärztekammer zur Aufhebung der gegen sie erlassenen Bescheide, mit denen der streitige Inhalt der Praxis-Homepage untersagt worden war. Mit Urteil vom 03.03.2022 (Az. 5 K 3488/21) hat das Verwaltungsgericht Münster die Klage der Praxis abgewiesen und die von der Zahnarztpraxis gewählte Formulierung als rechtwidrig bezeichnet. In den Entscheidungsgründen zitiert das Verwaltungsgericht Münster zunächst die beteiligte Zahnärztekammer aus ihren Bescheiden und erklärt, dass es diesen Ausführungen dem Grunde nach nichts hinzuzufügen habe:
„"1. Das Inaussichtstellen einer "unverbindlichen" (kostenlosen) Beratung und Sofortsimulation ist eine unzulässige anpreisende Werbung i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 2 BO WL. Es erfolgt eine preisbezogene Werbeaussage, bei der allein über den Preis ein Wettbewerb um medizinische Leistungen ausgetragen wird. Bei den beworbenen Leistungen handelt es sich aus Sicht des angesprochenen Verkehrskreises um zahnärztliche Leistungen. Aufgrund der Beschreibung der Leistungen und dem Kontext der Werbung geht der Werbeempfänger von einer Beratung zur kieferorthopädischen Behandlung mit Aligner im T2. aus, die weit über die reine Beantwortung einer ganz grundsätzlichen Kostenfrage hinausgeht. Ein Patient versteht die Werbung dahingehend, dass die "unverbindliche Beratung" die umfassende Erklärung seiner individuellen Behandlung mit der Aligner-Therapie sowie die Klärung und Beratung zu all seinen Fragen dazu enthält. Die Werbung vermittelt, dass der Zahnarzt dabei auf die Probleme und Fragen des Patienten eingeht, die seine persönliche Behandlungssituation betreffen und ihn unter Betrachtung der individuellen Situation, über die Möglichkeiten der Aligner-Therapie berät und darstellt, wie sich diese auf das individuelle Lächeln des Patienten auswirkt. Eine Simulation des eigenen Lächelns kann sich aus Sicht des Werbeempfängers immer nur auf einen individuellen Patienten beziehen.
Hintergrund des Verbots anpreisender Werbung ist, dass im zahnmedizinischen Bereich kein Preiswettbewerb stattfinden soll, bei dem sich die Zahnärzte zur Generierung von Patienten unterbieten. So soll zum Schutz der Patienten die Einhaltung zahnmedizinischer Standards gewährleistet sein.
Dass das Durchführen kostenloser zahnmedizinischer Leistungen unzulässig ist, ergibt sich auch aus dem Gebührenrecht. Leistungen nach der GOZ sind im Einzelfall zu bemessen, § 5 Absatz 2 GOZ. Rabatte oder ein Honorarverzicht sind in der GOZ nicht vorgesehen. Ein Gebührenverzicht ist auch damit unvereinbar, dass die zahnärztliche Honorarforderung berufsrechtlich stets angemessen sein muss, § 15 Abs. 1 BO WL. ...- Die Werbung mit "Sofortsimulation deines zukünftigen Lächelns" ist zusätzlich als irreführende Werbung berufsrechtswidrig im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 2 BO WL. Die Werbung erweckt fälschlicherweise den Eindruck, dass ein bestimmter Behand-lungserfolg mit Sicherheit erwartet werden kann. Das Versprechen eines bestimmten Behandlungserfolges ist auch mit einer Sofortsimulation nicht möglich."
Im Rahmen der weiteren Begründung geht das Verwaltungsgericht Münster näher auf den Aspekt ein, dem Patienten dürfe und könne kein „vorweggenommenes Behandlungsergebnis präsentiert werden:
„Soweit die Antragsteller die Auffassung vertreten, die Werbung für die Sofortsimulation sei interessengerecht und sachangemessen, folgt die Kammer dem ebenfalls nicht. Es trifft nicht zu, dass jedem aufgeklärten Patienten sofort ersichtlich ist, dass eine solche Simulation nicht etwa ein vorweggenommenes Endergebnis ist. Die Formulierung "Eine Sofortsimulation deines zukünftigen Lächelns erhältst du ebenfalls bei deiner ersten Beratung" suggeriert ersichtlich die sichere Erwartung eines bestimmten Ergebnisses der Behandlung. Dies gestehen die Antragsteller im Ergebnis schließlich selbst zu, wenn sie ausführen, dass der Patient "sich auf diese Weise einen ganz plastischen Eindruck von seinem zukünftigen Aussehen machen" kann.“
Ferner nimmt das Verwaltungsgericht Münster auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24.01.2022 (13 B 1894/21), um die Gründe für die Einschränkungen im ärztlichen Werbebereich zum Schutze des Gemeinwohls und der einzelnen Patienten zu erläutern:
„Nach § 21 Abs. 1 BO ist dem Zahnarzt die sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet (Satz 1). Berufswidrige Werbung ist dem Zahnarzt untersagt (Satz 2). Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung (Satz 3). Der Zahnarzt darf eine berufswidrige Werbung durch Dritte weder veranlassen noch dulden und hat dem entgegen zu wirken (Satz 4). Das Verbot berufswidriger Werbung ist - wie auch die Antragsteller mit der Beschwerde nicht in Abrede stellen - verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Werbeverbot für Ärzte/Zahnärzte dient dem Schutz der Bevölkerung und soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht allein aus Gewinn-streben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Werbebeschränkungen orientieren sich letztlich am Rechtsgut des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung. Jede Art von Einschränkungen ist an dem die Berufsfreiheit schützenden und auch die berufliche Außendarstellung umfassenden Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Beschränkungen können daher nur Bestand haben, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und den Berufstätigen nicht über-mäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei auch der Informationsanspruch des (potentiellen) Patienten. Dem (Zahn-)Arzt ist demnach nicht jede, sondern lediglich solche Werbung verboten, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Bei der Bewertung von Werbemaßnahmen ist dabei auf den Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise und auf das Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers/Patienten und nicht auf die Auffassung des jeweiligen Berufsstandes abzustellen. Die Abgrenzung zwischen erlaubter sachlicher Information und verbotener berufswidriger Werbung kann da-bei nicht generalisierend-abstrakt erfolgen, sondern ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit auf der einen Seite und der Sicherung des Werbeverbots auf der anderen Seite auf Grund einer Abwägung im Rahmen des gesamten Lebensvorgangs, in dem die fragliche Werbemaßnahme ihre Wirkung entfaltet, vorzunehmen.“
- Kommentar
Wenngleich eine zunehmende Vielseitigkeit von der Außendarstellung von ärztlichen und zahnärztlichen Praxen grundsätzlich erstrebenswert ist, muss stets ab-gewogen werden und im Ergebnis verhindert werden, dass sie Patienten zu leicht-fertig zu einer möglicherweise nicht einmal medizinisch notwendigen Behandlung verleiten helfen.
- Handlungsempfehlung
Besondere Vorsicht ist bei kostenfreien oder kostengünstigen Angeboten sowohl an potentielle als auch schon tatsächliche Patienten geboten. Hier wird die Rechtsprechung bis auf Weiteres eher restriktiv bleiben. Eine vorherige rechtliche Beratung unter Berücksichtigung der möglichen Konsequenzen ist unbedingt ratsam.