Edition Zahnarztpraxis
Edition Dentallabor
Edition Zahnarztpraxis mit Dentallabor
Urteil
Schweigepflicht gegenüber Verrechnungsstelle
Der Patient hatte folgende Einwilligung unterzeichnet:
„Ich erkläre mich einverstanden mit der
- Weitergabe zum Zwecke der Abrechnung und Geltendmachung jeweils erforderlichen Informationen, dies umfasst insbesondere die Daten aus der Patientenkartei, an die S GmbH (X).
- Abtretung der sich aus der Behandlung ergebenden Honorarforderungen an die X.
- Weiterabtretung der Forderung im Rahmen der Refinanzierung an die refinanzierenden Banken (Sparkassen T3 sowie an die U).
[ ... ]
Ich entbinde hiermit meine/n Arzt/Ärztin von seiner/ihrer ärztlichen Schweigepflicht, soweit dies für die Abrechnung und Geltendmachung der Forderung erforderlich ist.
Die p ist berechtigt, Dritte mit Teilen ihrer Dienstleistung zu beauftragen. Sie verpflichtet sich zur Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen und wird auch eventuelle Dritte, die Dienstleistungen für die p erbringen, zur Verschwiegenheit und zur Einhaltung der Datenschutzbestimmungen verpflichten.“
- Das Urteil
Das Landgericht Detmold bestätigte in seinem Urteil vom 18.06.2013 (Az. 1 O 230/12) die Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten zur Weitergabe seiner Daten an die Verrechnungsstelle - und verneinte damit zeitgleich die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht - und begründete dies wie folgt:
„An der Aktivlegitimation fehlt es vorliegend auch nicht etwa deshalb, weil die Abtretung des Honoraranspruchs durch den Zeugen M an die Klägerin mangels wirksamer Zustimmung des Beklagten gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 203 Abs. 1 StGB nichtig wäre. Zwar verletzt die Abtretung einer ärztlichen Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle, die zum Zwecke der Rechnungstellung und Einziehung erfolgt, in der Regel die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB und ist daher nach § 134 BGB nichtig, wenn der Patient der damit verbundenen Weitergabe seiner Behandlungsdaten nicht zugestimmt hat, hier liegt aber eine wirksame schriftliche Einverständniserklärung des Beklagten vom 24.12.2011 vor.
Ein wirksames Einverständnis i.S.d. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt eine bewusste und freiwillige Gestattung der Weitergabe von Patientendaten voraus. Der Betroffene muss daher die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung überblicken und muss eine im wesentlichen zutreffende Vorstellung davon haben, worin er einwilligt… . Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet und über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein … In der vom Beklagten unterschriebenen Erklärung vom 24.12.2011 wird zwar nur das ausdrückliche Einverständnis "mit der Weitergabe [der] zum Zwecke der Abrechnung und Geltendmachung jeweils erforderlichen Informationen, dies umfasst insbesondere die Daten aus der Patientenkartei, an die S GmbH" erklärt, im übernächsten Spiegelstrich wird aber zugleich das Einverständnis mit einer Weiterabtretung im Rahmen der Refinanzierung an die refinanzierenden Banken (Sparkassen T3 etc.) erklärt. Bereits aus dem unmittelbaren textlich-räumlichen Zusammenhang beider Punkte erschließt sich den durchschnittlichen Patienten, dass im Zusammenhang mit einer Weiterabtretung der Forderung auch die Weitergabe der Patienteninformationen steht. Aber auch für jeden "unterdurchschnittlichen", rein am Wortlaut der Erklärung orientierten Patienten, ist jedenfalls durch die Umfassende Entbindung des Arztes von seiner ärztlichen Schweigepflicht "soweit dies für die Abrechnung und Geltendmachung der Forderung erforderlich ist" im 3. Absatz der Erklärung offenkundig, dass der Arzt sowohl gegenüber der X als auch gegenüber den refinanzierenden Banken berechtigt ist, sämtliche patientendatenrelevanten Auskünfte zu erteilen. Wollte man hier auf ein ausdrückliches Einverständnis in die Weitergabe von Patientendaten auch an die refinanzierenden Banken verlangen, wäre dies ein bloßer Formalismus. Dies gilt umso mehr, als spätestens im 4. Absatz der Erklärung dem betroffenen Patienten deutlich vor Augen geführt wird - und er hierzu ebenfalls sein Einverständnis erklärt -, dass die Y patientenbezogene Informationen an dritte Dienstleister weitergeben kann, die dann aber wiederum selbst zur Einhaltung der Datenschutzbestimmun-gen und der Verschwiegenheitsplichten verpflichtet sind bzw. werden. Ein Patient, der eine solche Einverständniserklärung unterschreibt und behauptet, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass patientenbezogene Daten gegebenenfalls an refinanzierende Banken oder an Dienstleister der Klägerin zum Zwecke der Abrechnung und Einziehung der abgetretenen Forderungen weitergegeben werden, hat die Erklärung entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. In beiden Fällen hätte er sie nicht unterschreiben dürfen. Hinzu kommt noch, dass im vorliegenden Fall der Beklagte per Brief um die Unterzeichnung und Rückreichung der Einverständniserklärung gebeten wurde. Anders als es im Praxisalltag die Regel ist - üblicher-weise werden die Y-Erklärungen entweder unmittelbar bei Ankunft in der Praxis oder nach Abschluss der ersten Behandlung an der Rezeption unterschrieben -, hatte der Beklagte hier genügend Zeit, die Erklärung vor Unterschrift ggf. mehrfach zu lesen und bei bestehenden Unklarheiten von einer Unterschrift zunächst abzusehen und nachzufragen.“
- Kommentar
Ohne wirksame Einwilligung des Patienten liegt bei Weitergabe von Patientendaten eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.
- Handlungsempfehlung
Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit Patienten ist es dringend anzuraten, rechtlich geprüfte und abgesicherte Einwilligungsformulare zu verwenden.
Dr. Susanna Zentai
Rechtsanwältin
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