Edition Zahnarztpraxis
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Edition Zahnarztpraxis mit Dentallabor
Urteil
Der Standard einer Außenseitermethode lässt sich vertraglich vereinbaren
In einem vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken in zweiter Instanz entschiedenen Falles ging es u.a. um den Vorwurf gegenüber der Praxis, die von ihr durchgeführte „Herd- und Störfeldtestung“ entbehre jeder schulmedizinischen Grundlage. Obwohl die Patientin in die Durchführung dieser Methode zuvor eingewilligt hatte, warf sie genau diese durchgeführte Behandlung später der Praxis vor.
Die Patientin und spätere Klägerin und die Praxis hatten folgende schriftliche Vereinbarung „Einwilligung zur operativen Herdsanierung“ getroffen:
„Ich bin darüber aufgeklärt worden, dass die geplanten Behandlungsmaßnahmen nicht dem Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne der Schulmedizin entsprechen. Die alternativmedizinische Theorie von der Herdbelastung wird von der Schulmedizin abgelehnt. Es kann sein, dass die Schulmedizin die Auffassung vertritt, dass die Herdsanierung nicht erforderlich sei, bzw. nicht erforderlich gewesen sei.
Insbesondere die Entfernung von Zähnen sowie die operative Behandlung des Kieferknochens (aufgrund der mit außerschulmedizinischen Methoden festgestellten Herdbelastungen) wird von der Schulmedizin nicht für erforderlich gehalten.
Schulzahnmedizinisch wird in der Regel versucht, auch nicht vitale Zähne durch eine Wurzelbehandlung zu erhalten. Nach den Theorien der alternativen Zahnmedizin stellen solchermaßen behandelte Zähne eine Herdbelastung dar, sodass in der Regel die Entfernung empfohlen wird.
Nach Kenntnis der schulzahnmedizinischen Behandlungsalternativen und der Tatsache, dass die geplante Herdsanierung von der Schulzahnmedizin abgelehnt wird, erfolgt die geplante Behandlung auf meinen ausdrücklichen Wunsch.“
Im Ergebnis stellte das Gericht darauf ab, ob die konkrete Außenseitermethode noch als nicht fehlerhaft einzustufen sei.
- Das Urteil
In seinem Urteil vom 19.04.2016 (Az. 5 U 8/14) führte das Oberlandesgericht Zweibrücken zur Abgrenzung einer noch tolerierbaren „Außenseitermethode“ aus:
„Bei der Bewertung der durch den Beklagten erfolgten Behandlung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der mit dem Beklagten abgeschlossenen „Vereinbarung über Privatberechnung“ … „die zahnärztlichen/ärztlichen Leistungen zur operativen Herdsanierung ausdrücklich im Rahmen dieses privaten Behandlungsvertrages“ gewünscht hat. …
Danach hat die Klägerin die von dem Beklagten angebotene Herdsanierung - eine Außenseitermethode – ausdrücklich gewünscht und mit diesem vereinbart.
Diese Methode erfolgte im Einverständnis mit der Klägerin nicht nach den Regeln der Schulmedizin, sondern nach einer „ganzheitlichen“, d. h. naturheilkundlich ausgerichteten Außenseitermethode.
Eine solche Methode kann schon den „pathologischen Zustand“ anders definieren als die Schulmedizin, im Weiteren aber auch andere Maßstäbe an die Diagnostik und an die Erforderlichkeit einer Operation anlegen. Die Pflichtwidrigkeit des ärztlichen Vorgehens bestimmt sich jedenfalls dann nach den Kriterien, die für diese nicht schulmedizinische Außenseitermethode Geltung beanspruchen, wenn Grundlage der ärztlichen Behandlung – wie hier – ein Vertrag ist, in dem sich der Patient mit der (ausschließlich) naturheilkundlichen Behandlung einverstanden erklärt hat. Jeder Patient kann nämlich innerhalb der durch § 138 BGB, 226 a StGB gezogenen Grenzen eigenverantwortlich entscheiden, welchen Behandlungen er sich unterziehen will. Diese Grenzen sind erst da überschritten, wo der ärztliche Eingriff unter keinen Umständen mehr als eine Heilbehandlung begriffen werden kann oder eine „völlige Außenseitermethode“ angewandt wird (OLGR Zweibrücken 2004, 148 - 151).“ - Kommentar
Diese vom Oberlandesgericht Zweibrücken definierte Abgrenzung ist nachvollziehbar. Die Grenze des noch zu tolerierenden Maßstabs muss immer spätestens dort gezogen werden, wo der Bereich einer fehlerhaften Behandlungsmaßnahme erreicht wird. Sicher lässt sich ganz allgemein bei vom zahnärztlichen Standard abweichenden Methoden hin und wieder auch die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit stellen. Hier tritt regelmäßig zunächst die Frage nach der Berechnung als Verlangensleistung auf - solange wie gesagt noch von einer lege artis Behandlung ausgegangen werden darf. Unabhängig davon weist das Oberlandes-gericht Zweibrücken richtig darauf hin, dass dem Patienten im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts die Möglichkeit offengelassen werden muss, auch „andere Wege“ zu probieren. Nichts anderes gilt für die freie Entscheidungswahl des Zahnarztes. Letztlich ist diese Flexibilität bedeutend für den Fortschritt über die Möglichkeit, neue und andere Ansätze im Einverständnis mit dem Patienten in der Praxis zu erproben.
- Handlungsempfehlung
Eine Vereinbarung mit dem Patienten über eine von der Schulmedizin abweichende Behandlung als „Außenseitermethode“ sollte schriftlich erfolgen und die Aufklärung hierüber umfangreich und gut dokumentiert sein. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzlich vom allgemeinen Standard abgewichen werden soll.
Dr. Susanna Zentai
Rechtsanwältin
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