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Zeiterfassung

  • 19. Dezember 2022
  • Lesezeit: 5min
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Viele geleisteten Überstunden werden nicht oder nur unvollständig erfasst. Das liefert immer wieder Stoff für Diskussionen und Gespräche.




Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten die Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, „ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.“ Diese Verpflichtung ist im europäischen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, dass nur so die praktische Wirksamkeit des europäischen Grundrechts gemäß Art 31 II Grundrechtecharta (GRCh) auf „Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten“ und die Rechte einer europäischen Richtlinie zur Arbeitszeitgestaltung gewährleistet werden können. Innerhalb der EU ist dies auch in der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG beschrieben.

Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes sind die Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Der Gesetzesentwurf steht zwar noch aus, jedoch ist hier zeitnah mit einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren zu rechnen. Dies wäre allerdings gar nicht nötig – die Pflicht zur Zeiterfassung gilt bereits.
Seitdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 seinen Beschluss zur Arbeitszeiterfassung verkündet hat, wurde bundesweit diskutiert und spekuliert.

Es ist damit zu rechnen, dass das BAG-Grundsatzurteil (Az.: 1ABR 22/21) weitreichende Auswirkungen auf die bisher in Wirtschaft und Verwaltung tausendfach praktizierten Vertrauensarbeitszeitmodelle bis hin zu mobiler Arbeit und Homeoffice haben wird, weil damit mehr Kontrolle ausgeübt werden kann.

Nun haben die Erfurter Richter ihre schriftlichen Entscheidungsgründe auch veröffentlicht.

Was bedeutet Arbeitszeiterfassung?

Der Europäische Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg entschied 2019, dass Arbeitgeber Beginn und Ende der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten "erfassen" müssen. Gemeint ist also die vollständige Arbeitszeit. Eine Erfassung ausschließlich der Überstunden, wie sie in Deutschland bislang Pflicht war, reicht demnach nicht aus.

Welche Ziele hat die Arbeitszeiterfassung?

Nach Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit wurden im vergangenen Jahr 893 Millionen oder gut 52 Prozent aller Überstunden nicht vergütet. Die Zeiterfassung ist auch ein "Schutz vor Fremd- und Selbstausbeutung".

Muss die Arbeitszeit nun sofort erfasst werden?

Ja, denn das BAG leitet die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz ab, das entsprechend den EU-Vorgaben auszulegen sei. Eine Gesetzesänderung ist daher prinzipiell nicht nötig. Die Ampel-Parteien haben in ihrer Koalitionsvereinbarung dennoch eine Gesetzesinitiative angekündigt, um das EuGH-Urteil explizit umzusetzen. Darin werden dann wohl auch Strafen bei Verstößen festgelegt. Die Bundesregierung will die Urteilsbegründung nun prüfen. "Voraussichtlich im ersten Quartal 2023" werde das Arbeitsministerium dann einen "praxistauglichen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung" per Gesetz machen, erklärte eine Sprecherin.

Wie soll die Arbeitszeiterfassung erfolgen?

Das BAG hat hier keine Vorgaben gemacht. Elektronisch oder auf Papier – solange der Gesetzgeber keine Vorgaben macht, ist alles erlaubt. Betriebe können für verschiedene Beschäftigtengruppen auch unterschiedliche Formen wählen. Nur musss die Arbeitszeiterfassung tatsächlich erfolgen. Den Beschäftigten die Möglichkeit dafür anzubieten, reicht laut BAG nicht aus. Es empfiehlt sich jedoch, einen Nachweis zu erbringen, der auch einer Prüfung im Streitfall standhält. Idealerweise erfolgt die Zeiterfassung digital und unveränderlich. Prüfen Sie, welche Softwarelösungen bei Ihnen vorhanden und umsetzbar sind.

Was wird aus der sogenannten Vertrauensarbeitszeit?

In vielen Betrieben (vor allem kleinere Betriebe) gibt es auch heute keine Zeiterfassung. „Man vertraut sich“ heißt es oft. Überstunden und Minusstunden werden „nach Gefühl“ ausgeglichen. Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass der Arbeitgeber die Zeiten nicht kontrolliert. Das bleibt nach dem BAG-Beschluss dergestalt möglich, dass betroffene Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten ohne Kontrolle selbst notieren. Eine Art von Erfassung muss es aber auch hier geben.

Muss die mehr geleistete Arbeitszeit bezahlt werden?

Ja, sofern der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet hat und sie aufgrund der Vorgaben im Arbeitszeitgesetz nicht als Freizeitausgleich zu nehmen sind. Billigen bedeutet, dass der Arbeitgeber nachträglich mit den Überstunden einverstanden ist. Wenn Arbeitgeber von den Überstunden wissen, ohne etwas dagegen zu unternehmen, handelt es sich um eine Duldung.

Können Beschäftigte die Überstunden alternativ auch als Freizeit nehmen?

Für alle Überstunden, die nicht im Rahmen einer Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aufgelaufen sind, geht das laut Arbeitnehmerkammer Bremen nur dann, wenn es im Arbeitsvertrag so vereinbart ist und der oder die Beschäftigte das möchte.

Was gilt, wenn in einem Arbeitsvertrag eine Klausel enthalten ist, die besagt, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind?

"Solche Klauseln sind in der Regel rechtswidrig", schreibt die Arbeitnehmerkammer. Die sogenannten Abgeltungsklauseln seien nur wirksam, wenn in ihnen genau festgehalten ist, bis zu welcher Anzahl oder welchem Anteil Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Solche Vereinbarungen müssten sich aber immer im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes bewegen. Ist die Klausel unwirksam, müssen Arbeitgeber die Überstunden sehr wohl bezahlen.

Fazit:
Bereiten Sie sich schon jetzt vor und prüfen Sie, ob Sie mit Ihrem jetzigen System eine genaue Zeiterfassung durchführen können.





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