Das richtige Vorgehen bei Versicherten in Sozialtarifen der privaten Krankenversicherung
- 31. Oktober 2024
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Sozialtarife sind für Menschen, die nicht gesetzlich versichert sind und im Sinne des Sozialrechts hilfebedürftig sind, also für die Beiträge für eine konventionelle private Versicherung nicht oder nicht mehr aufkommen können. Diese Tarife müssen von den privaten Krankenversicherungen angeboten werden, da diese vom Gesetzgeber vorgeschrieben sind. Orientieren soll sich die Erstattung an den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Im Basistarif können sich alle Privatversicherten versichern lassen, die ihre private Versicherung im Jahr 2009 oder später abgeschlossen haben und mindestens 55 Jahre alt sind (keine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung mehr möglich), oder eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Vorschriften beziehen, oder hilfsbedürftig im Sinne des Sozialrechts sind.
Ein Wechsel von einer Vollversicherung in den Standardtarif ist für Versicherte einer privaten Krankenversicherung nur möglich, wenn der Versicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde und der Versicherte mindestens 10 Jahre privat krankenversichert war. Es gibt folgende Altersvoraussetzungen:
- mindestens 65 Jahre
- oder mindestens 55 Jahre: Das gesamte Einkommen des Versicherten darf die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen (gilt auch für Heilfürsorgeberechtigte wie Polizisten).
- Jünger als 55 Jahre: Der Versicherte bezieht oder hat eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Vorschriften beantragt. Das gesamte Einkommen darf die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen. Versicherte im Notlagentarif sind mit der Zahlung ihrer Versicherungsbeiträge über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) im Verzug. Die private Versicherung kann den Vertrag nicht kündigen, sie kann allerdings ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten und den Vertrag ruhen lassen. Solange der Versicherungsvertrag ruht, greift der Notlagentarif. Dieser sieht nur eine Erstattung im Notfall (z. B. Schmerzfälle) vor. Sobald alle Rückstände beglichen sind, greift der alte Versicherungstarif wieder.
Ausweispflicht:
Patienten müssen vor Behandlungsbeginn ausdrücklich mitteilen, wenn sie in einem Sozialtarif versichert sind und den Behandlungsausweis vorzulegen. Ist dies erfolgt, ist eine Abrechnung zu den tariflichen Bedingungen vorgeschrieben und diese sind wirtschaftlich äußert ungünstig für die Zahnarztpraxis.
In der GOZ wird ein Faktor bis maximal zum 2,0-fachen Satz vorgeschrieben, in der GOÄ bis 1,8-fach. Für Zahnersatz erhalten Versicherte in Sozialtarifen nach vorheriger Genehmigung (!) maximal eine Erstattung in Höhe der einfachen Festzuschüsse (60%) der gesetzlichen Krankenversicherung. Zahntechnische Leistungen werden auf Grundlage des BEL II erstattet. Implantologische Leistungen und FAL/FAT-Leistungen sind von der Erstattung ausgeschlossen. Ist die notwendige Behandlung zu den Bedingungen des Tarifs nicht durchführbar, ist vor jeder Behandlungsmaßnahme eine abweichende Vereinbarung mit dem Patienten zu treffen.
Das bedeutet für die Praxis:
- Sobald der im Sozialtarif festgelegte Faktor (meist 2,0) überschritten wird, ist eine schriftliche Vereinbarung zwingend vorgegeben. Diese muss folgendes enthalten:
a. Die GOZ-Nummer und Bezeichnung der Leistung,
b. den vereinbarten Steigerungssatz,
c. den sich daraus ergebenden Betrag, bedeutet, den expliziten Betrag der Leistung, der über dem 3,5 fachen Faktor liegt und
d. den Hinweis, dass eine Vergütung durch Erstattungsstellen in der Regel nicht gewährleistet ist. - Die Vereinbarung muss dem Patienten ausgehändigt werden.
- Die Vereinbarung muss vor Behandlungsbeginn erfolgen.
- Eine Schmerzbehandlung darf nicht von einer abweichenden Vereinbarung abhängig gemacht werden.
Im PVS (Praxisverwaltungssystem) gibt es die Möglichkeit Patienten in Sozialtarifen zu kennzeichnen und den Maximalfaktor einzutragen, so dass die abweichende Vereinbarung bequem erstellt werden kann.
Liegt diese nicht vor, so ist der Patient rechtlich nicht zur Zahlung der Leistungen über dem Sozialtarif verpflichtet.
Hier stellen sich Zahnärzte und Zahnärztinnen häufig die Frage: Bin ich dazu verpflichtet, Patienten die im Sozialtarif versichert sind, zu den tariflichen Bedingungen zu behandeln?
Ja, im Falle eines Notfalles, also z. B. bei Beschwerden (§ 2 Absatz 5 Musterberufsordnung (MBO) Die Ablehnung einer Behandlung ist gemäß § 323c Strafgesetzbuch eine unterlassene Hilfeleistung.
Handelt es sich um keinen Not- oder Schmerzfall kann die Behandlung des Patienten ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden (BVerfG, Az. 1 BvR 807/08 und 1 BvR 808/08, 05.05.2008). Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen haben gemäß § 75 Absatz 3a SGB V einen Sicherstellungsauftrag. Der Sicherstellungsauftrag sieht vor, dass eine zahnmedizinische Versorgung organisiert bzw. gewährleistet ist. Dem Versicherten im Basistarif soll eine wohnortnahe Versorgung zu den Bedingungen des Basistarifs ermöglicht werden.
Der Behandlungsvertrag besteht zwischen Versichertem und Zahnarztpraxis. Der Versicherte im Sozialtarif erhält also seine Rechnung nach GOZ und reicht diese zur Erstattung bei seinem Versicherer ein.