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Austausch von Implantaten beihilfefähig

  • 29. August 2022
  • Lesezeit: 8min
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Implantate sind grundsätzlich beihilfefähig. Die Beihilfe kann aber die Anzahl der beihilfefähigen Implantate pro Kiefer beschränken und macht davon auch Gebrauch.




Die Regelungen für die Beihilfe können von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgestaltet sein und auch je nach konkreter Beihilfestelle variieren.

In Hamburg wurde kürzlich gerichtlich entschieden, dass der Austausch von bereits vorhandenen Implantaten – im Rahmen der beihilfefähigen Anzahl – beihilfefähig ist.

Das Urteil

Das Verwaltungsgericht Hamburg führt in seinem Urteil vom 12.01.2022 (Az. 21 K 2064/21) zunächst zur allgemeinen Fürsorgepflicht des Beihilfeträgers aus:

„Die Vorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 1 HmbBeihVO verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die Gewährung von Beihilfe findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn… . In ihrem verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er – in zumutbarer Weise – aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann… . Art. 33 Abs. 5 GG überlässt ihm die Entscheidung, ob er seiner Fürsorgepflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise genügt… . Der Dienstherr ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lü-ckenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind… . Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und aus-reichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Leistungen ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System sind Leistungen nur dann nicht auszuschließen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können… .“

Dies vorweggeschickt erläutert das Gericht weiterhin, dass es nicht zu beanstanden ist, die Beihilfefähigkeit auf zwei Implantate pro Kiefer zu beschränken: „Gemessen daran ist die generelle zahlenmäßige Begrenzung der Implantate auf zwei pro Kieferhälfte nicht zu beanstanden, denn hierfür liegt ein zureichender sachlicher Grund vor. Die Beschränkung der Implantatversorgung ist nicht in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgt… . Die Regelung verfolgt den legitimen Zweck, einer durch die im Allgemeinen kostenintensivere Behandlungsart der Implantatversorgung bedingten Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten entgegenzuwirken. Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt, dass neben der Einbringung von Im-plantaten regelmäßig die Möglichkeit einer typischerweise kostengünstigeren Alternativversorgung auf „herkömmliche“ Art und Weise, etwa mit einer Brücke, gegeben ist… . Schließlich stellt das Verwaltungsgericht klar, dass der Austausch beihilfefähiger Implantate beihilfefähig ist: „Der Austausch bzw. die Entfernung von bereits vorhandenen Implantaten, für deren Einsetzung zu einem früheren Zeitpunkt Beihilfe bewilligt wurde, führt nicht dazu, dass eine Überschreitung der in § 7 Abs. 5 HmbBeihVO vorgesehenen Begrenzung der Implantatversorgung auf zwei Implantate pro Kieferhälfte anzunehmen wäre. Dass unter Umständen wiederkehrende medizinisch indizierte Behandlungen an den zwei beihilfefähigen, bereits vorhandenen Implantaten bzw. deren Austausch von einer Beihilfe ausgeschlossen sein könnten, findet bereits keine Stütze im Wortlaut der Norm, da von „implantologischen Leistungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte“ gesprochen wird, worunter alle mit der Implantation in Zusammenhang stehenden Leistungen fallen. Zur Überzeugung des Gerichts ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, dass der Austausch bereits vorhandener Implantate nicht von dem Ausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 HmbBeihVO erfasst ist. Wie bereits unter aa. ausgeführt, liegt der Begrenzung auf zwei Implantate der Gedanke zugrunde, dass eine Überversorgung mit Implantaten zur Entlastung der öffentlichen Kassen zu verhindern ist und dass zwei Implantate je Kieferhälfte in der Regel genügen, um gegebenenfalls eine Brückenversorgung für die übrigen Zähne daran anschließen zu können. Dies ist je-doch nur möglich, wenn die ursprünglichen Implantate tatsächlich noch vorhanden sind. Es geht in diesen Fällen nicht darum, dass der beihilfeberechtigten Person ein „mehr“ gewährt wird, sondern die beiden Implantate pro Kieferhälfte, auf die ein Anspruch besteht, funktionsfähig gehalten werden. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass Implantate lebenslang halten sollten, steht dies nicht entgegen. Zwar sind Implantate in der Regel als lebenslange Maßnahme vorgesehen und ein Aus-tausch üblicherweise nicht beabsichtigt, es ist jedoch nicht vollkommen außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass in Einzelfällen ein Ersatz aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Dass die Verordnungsgeberin einen Ersatz in diesen Fällen unter Bezugnahme auf die Höchstbegrenzung auf zwei Implantate pro Kiefer-hälfte ausschließen wollte, erscheint nicht nachvollziehbar.“ Das Gericht stellt weiter den wichtigen Umstand dar, dass das neue und das zu er-setzende Implantat nicht in derselben Region sein müssen. Es kommt nur darauf an, dass das neue Implantat die Funktion des alten Implantates ersetzt: „Das Zahnimplantat 44 der Klägerin gilt als zweites Implantat in der rechten Hälfte des Unterkiefers, denn es handelt sich dabei um einen Ersatz des Implantates 45. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich vorübergehend, für den Zeitraum der Einheilung des Implantates 44, drei Implantate im rechten Unterkiefer der Klägerin befanden, bevor das Implantat 45 entfernt werden konnte. Ebenfalls steht dem nicht entgegen, dass der Ersatz des Implantates 45 nicht in derselben Zahnregion erfolgt ist, sondern in der Zahnregion 44. Für den Ersatz ist maßgeblich, dass das neue Implantat die Funktion des bisherigen ersetzt.

Der Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 1 HmbBeihVO gibt zwar diesbezüglich keinen Aufschluss, denn die Verordnungsgeberin hat nicht näher geregelt, ob für den zahlenmäßigen Ausschluss weiterer Implantate die Anzahl der tatsächlich im Kiefer verbleibenden Implantate oder die Gesamtzahl der Zahnbereiche, die mit einem Implantat versorgt wurden, maßgeblich ist. Letzteres gebietet der Sinn und Zweck der Norm jedoch nicht. Der Ausschluss eines Implantatersatzes von der Beihilfefähigkeit würde in diesem Fall eine Abweichung zulasten des Betroffenen von der typi-sierenden Annahme des Gesetzgebers, nach der zwei Implantate pro Kieferhälfte im Verbund mit einer konventionellen Versorgung das medizinisch Notwendige sicherstellen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 15.3.2012, 2 S 2542/11, juris Rn. 36), bedeuten. Die Modalitäten des Austauschs und die Tatsache, dass ein vorhandenes, zu ersetzendes Implantat aus medizinischen Gründen, mithin quasi zufällig, nicht mehr an der ursprünglichen Stelle eingesetzt werden kann, können nicht allein da-zu führen, dass eine Gewährung von Beihilfe ausgeschlossen wäre.“ Für die Entscheidungsfindung des Gerichts waren insbesondere die medizinischen Erläuterungen des Implantologen hilfreich und ausschlaggebend: „Gemessen daran handelt sich vorliegend um einen Ersatz eines Implantats. Zur Überzeugung des Gerichts war der Austausch der beiden Implantate der Klägerin im rechten Unterkiefer medizinisch notwendig und übernimmt das Implantat 44 voll-ständig die Funktion des ursprünglichen Implantates 45. Dies ergibt sich insbesondere aus der Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes Dr. C. vom 20. April 2021 (Bl. 72 ff. d. A.) Darin führt der Unterzeichner aus, dass sich die ursprünglichen Implantate zu dicht beieinander befunden hätten, so dass sie prothetisch nicht suffizient hätten versorgt werden können. Beide Implantate hätten eine Periimplantitis [Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau] aufgewiesen und seien nicht mehr zu erhalten gewesen. Die Klägerin habe im Ergebnis „nur zwei Implantate zur Wiederherstellung der Kaufähigkeit und Aufrechterhaltung der physiologischen Kieferrelation bekommen. Die ehemaligen, alten und periimplantär infizierten Implantate wurden gegen zwei neue Implantate ausgetauscht.“ Ergebnis der Behandlung ist der Verbleib von zwei Implantaten im rechten Unterkiefer im Zahnbereich 44 und 46. Eine isolierte Betrachtung der Behandlung am 24. August 2020, nach der drei Implantate (44, 45 und 46) im Kiefer verblieben sind, ist nicht geboten, weil es sich – wie es sich ebenfalls aus der vorgenannten Stellungnahme ergibt – bei den verschiedenen Behandlungsterminen um eine zusammenhängend zu betrachtende Gesamtbehandlung handelt. Der zwischenzeitliche Verbleib des Implantats 45 im Kiefer der Klägerin war aus medizinischen Gründen zur Aufrechterhaltung der Kaufähigkeit und Vermeidung von Belastungsdrücken auf die OP-Region sowie zur gleichmäßigen Seitenzahnabstützung und Erhalt der vertikalen Kieferrelation erforderlich.“

Kommentar

Das Urteil des Verwaltungsgericht Hamburg ist sehr positiv, da viele Verwaltungsgerichte eher restriktiv im Hinblick auf die Gewährung von Beihilfe urteilen.

Handlungsempfehlung

Dieses Beispiel zeigt ein weiteres Mal, dass positive Urteile insbesondere dann erreicht werden können, wenn den Richtern der zahnmedizinische Inhalt transparent gemacht wird. Darum sind die zahnärztlichen Erläuterungen in einem Gerichtsverfahren regelmäßig von solcher Bedeutung.

Dr. Susanna Zentai
Rechtsanwältin
www.dental-und-medizinrecht.de





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