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Provokation am Arbeitsplatz
Zurück- 5. Dezember 2022
- Lesezeit: 5min
Arbeiten & Organisieren
Dürfen Mitarbeiter/innen ihren Kolleg/innen ihre Meinung aufdrängen? Und kann die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber diesen Mitarbeiter/innen verbieten, über bestimmte Themen zu sprechen? Unter Betriebsfrieden versteht man den reibungslosen Arbeitsablauf und das kollegiale und friedliche Miteinander der Beschäftigten in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre. Den Betriebsfrieden zu erhalten, gehört zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitnehmer/innen. Doch wann gilt der Betriebsfrieden als gestört?
Der Betriebsfrieden ist als gestört anzusehen, wenn
- ein reibungsloser Arbeitsablauf nicht mehr gewährleistet werden kann oder
- das Gemeinschaftsgefühl erheblich beeinträchtigt ist. Dazu kommen kann es beispielsweise durch ausländerfeindliche und rechtsextremistische Handlungen, Mobbing, sexuelle Belästigung oder Tätlichkeiten. Nicht so eindeutig ist es, wenn es um Meinungsäußerungen geht. Denn hier ist die Meinungsfreiheit der Beschäftigten zu beachten. Dürfen Mitarbeiter/innen ihre politische Meinung am Arbeitsplatz äußern – und wenn ja, auch wenn sie damit Kolleg/innen vor den Kopf stoßen?
Welche Äußerungen akzeptabel sind, muss im Einzelfall entschieden werden. Allerdings darf das Unternehmen Äußerungen nicht tolerieren, die Hetze oder Propaganda verbreiten. Beispiel: Ein Mitarbeiter trägt eine Plakette und macht seine Meinung so für viele Kolleg/innen publik. Er versucht zudem, demonstrativ auf deren Meinung einzuwirken und sie mit Nachdruck von seiner eigenen Meinung zu überzeugen.
Gelten die Regeln auch für soziale Medien beziehungsweise firmeninterne Chat-Gruppen?
Hier muss man zunächst zwischen privater und öffentlicher Meinungsäußerung unterscheiden. So fallen private WhatsApp-Chats beispielsweise unter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das heißt, die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber darf darauf nicht ohne Weiteres zugreifen. Äußert die/der Mitarbeiter/in sich hingegen öffentlich in den sozialen Medien, gelten die gleichen Grundsätze wie für eine öffentlich verbale Meinungskundgabe.
Darf ich als Arbeitgeber/in die Diskussion über bestimmte Themen am Arbeitsplatz generell verbieten?
Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber darf die Diskussion über bestimmte Themen nicht generell verbieten. Denn für die Beschäftigten gilt am Arbeitsplatz Meinungsfreiheit. Es kann sein, dass sich ein/e Mitarbeiter/in provoziert fühlt von einer Kollegin oder einem Kollegen, die bzw. der seine politische Meinung äußert. Ein/e andere/r wiederum nicht. Ob eine Provokation vorliegt, fasst jede/r Arbeitnehmer/in anders auf. Das Unternehmen kann seinen Mitarbeiter/innen daher nicht im Voraus verbieten, sich über bestimmte Themen mit Kolleg/innen auszutauschen.
Wo verläuft die Grenze zwischen persönlicher Beleidigung, politischer Agitation und Meinungsfreiheit?
Es handelt sich nicht mehr um Meinungsfreiheit, wenn die Äußerung nur noch diskriminierend oder beleidigend ist (sogenannte Formalbeleidigungen, zum Beispiel: „Sie sind ein Vollidiot, wenn sie glauben, dass ...“). Kritische Äußerungen über die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber sind dagegen erlaubt. Zumindest dann, wenn sie keine Ehrverletzung darstellen und der Wahrheit entsprechen. Bei politischen Aussagen muss wieder im Einzelfall untersucht werden, ob die Aussagen provozierend sind oder nicht.
Wann muss die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber aus Fürsorgepflicht eingreifen?
Arbeitgeber/innen haben den Arbeitnehmer/innen gegenüber eine Fürsorgepflicht. Das heißt, sie müssen die Interessen ihrer Arbeitnehmer/innen wahren. Was passiert also, wenn das Persönlichkeitsrecht einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters durch die Äußerung einer Kollegin oder eines Kollegen betroffen ist? In diesem Fall müssen Arbeitgeber/innen zwischen den folgenden Faktoren abwägen:
- Intensität der Beeinträchtigung
- Art der Beeinträchtigung der Person der betroffenen Arbeitnehmerin/des betroffenen Arbeitnehmers
- betriebliche Interessen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers Am Ende ist es vielleicht notwendig, dass Arbeitgeber/innen aus Fürsorgepflicht eingreifen. In jedem Fall müssen sie die Sachlage jedoch zunächst aus neutraler Sicht und so gut es geht aufklären.
Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber/innen, um Konflikte unter Mitarbeitenden zu entschärfen?
Zunächst kann die/der Arbeitgeber/in ein klärendes Gespräch mit den betroffenen Arbeitnehmer/innen führen. Hierbei muss sie/er Neutralität gegenüber beiden Seiten wahren. Weitere Optionen:
- Die/Der Arbeitgeber/in kann von einer Person erwarten, dass sie die rechtswidrige Äußerung unterlässt oder auch widerruft.
- Die/Der Arbeitgeber/in kann Arbeitnehmer*innen an einen anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebs versetzen.
- Die/Der Arbeitgeber/in kann Arbeitnehmer*innen abmahnen oder kündigen.
Wann kann die Störung des Betriebsfriedens zur Abmahnung beziehungsweise Kündigung führen?
Ein/e Mitarbeiter/in, die/der den Betriebsfrieden stört, verletzt ihre bzw. seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Die Konsequenz für dieses Verhalten kann daher eine Abmahnung oder Kündigung sein. Selbst eine außerordentliche Kündigung ist möglich. Dabei müssen die üblichen Voraussetzungen einer Kündigung vorliegen. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber muss also insbesondere die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen und prüfen, ob die Maßnahme geeignet ist, den Betriebsfrieden in Zukunft zu wahren. Bevor eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen wird, muss ein vertragswidriges Verhalten in der Regel jedoch zuerst abgemahnt werden. Dafür gelten die üblichen Voraussetzungen für eine Abmahnung. Unter anderem muss auch hier wieder die Meinungsfreiheit der Arbeitnehmerinnen beachtet werden.
Quelle: Volker Serth ist Arbeitsrechtsexperte bei der Wirtschaftskanzlei FPS in 60322 Frankfurt am Main, Tel. (0 69) 9 59 57-213, serth@fps-law.de, www.fps-law.de/de/