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Darf ich nur den Patientenstamm verkaufen?
Wenn eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt bei einem Praxisverkauf nur die Patientenkartei verkaufen möchte, dann verstößt das gegen die Berufsordnung für Zahnärzte. Somit ist der Kaufvertrag nichtig. Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil entschieden.
Der Praxisverkauf oder der Verkauf von Anteilen an einer Zahnarztpraxis ist stets ein komplexes Unterfangen. Es eröffnet diverse Gestaltungsspielräume, die genutzt werden wollen und sollen. Und weil dieses komplexe Unterfangen Fragen aus den Bereichen des Gesellschaftsrechts, des Arbeitsrechts, des Mietrechts und natürlich auch des Steuerrechts, im Einzelfall auch des Erb- und Familienrechts aufwirft, ist es ratsam, bereits im Stadium der Planung eines Praxisverkaufs eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.
Je früher, desto besser können Ihre Belange bestmöglich umgesetzt und eine entsprechende Strategie entwickelt werden. Denn der Praxisverkauf ist in den überwiegenden Fällen ein einmaliger Vorgang im Berufsleben. Fehler, die hierbei gemacht werden, sind nicht wieder gutzumachen. Daher sollten Sie an dieser Stelle nichts dem Zufall überlassen und Berater/innen hinzuziehen, die aufgrund ihrer Ausbildung bestens auf diesen Moment vorbereitet sind. Rechtsrat ist nicht irgendeine Zusatzleistung. Vielmehr sollten Sie im Moment des geplanten Praxisverkaufs der Beratung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts vertrauen.
Um diesen Fall geht es: Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt. Die Beklagte betrieb ebenfalls eine Zahnarztpraxis. Sie verfügte über einen Patientenstamm von rund 600 Patienten. Von den Vertragsparteien wurde ein Kaufvertrag mit der Bezeichnung „Kaufvertrag Patientenstamm“ unterschrieben. Dieser sah unter anderem folgende Regelungen vor:
- Verkauf des Patientenstamms der privat- und vertragszahnärztlichen Praxis der Beklagten an den Kläger
- Versorgung der Patienten der Beklagten durch den Kläger
- Umleiten der Telefonanrufe auf den Telefonanschluss des Klägers
- Umleiten der Internetaufrufe auf die Internet-Domain des Klägers
Darüber hinaus sollte der Kläger die Patientenkartei der Beklagten in Verwahrung nehmen. Als Kaufpreis für den Patientenstamm vereinbarten die Parteien eine Summe von 12.000 Euro. Dafür musste die Beklagte, wie vertraglich geregelt, ihre Patienten über die Beendigung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin informieren. Zudem sollte sie bekannt geben, dass der Kläger die Patienten übernimmt und diesen empfehlen, die Behandlung durch den Kläger fortzusetzen.
Zu den Urteilsgründen: Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) ist der zwischen den Vertragsparteien abgeschlossene Kaufvertrag über den Patientenstamm nichtig, also nicht gültig (Urteil vom 09.11.2021, Aktenzeichen VIII ZR 362/19). Der vereinbarte Verkauf des Patientenstamms verstößt eindeutig gegen berufsrechtliche Standesvorschriften. Das ist in Paragraf 8 Absatz 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte geregelt: „Dem Zahnarzt ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“ Auch eine Empfehlung ist eine Zuweisung im Sinne der Vorschrift, so die Ansicht der Richter.
Der BGH wies darauf hin, dass der Verkauf eines Patientenstamms – anders als der Verkauf einer Arztpraxis im Ganzen – rechtlich nicht möglich ist. Bei einem Patientenstamm handelt es sich nicht um eine dem verkaufenden Arzt zuzuordnende geschützte Rechtsposition (Artikel 14 Grundgesetz, Eigentumsgarantie). Vom BGH wurden die Straftatbestände Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen nicht geprüft (Paragrafen 299a, 299b Strafgesetzbuch). Die Vorinstanz sah hier allerdings den Tatbestand beider Vorschriften als erfüllt an.
Das sollten Sie beachten: „Der Verkauf eines isolierten Patientenstamms in der vorliegenden Form ist daher nicht möglich“, sagt Daniela Groove, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München. „Es ist zu berücksichtigen, dass die Berufsordnungen der anderen Landeszahnärztekammern identische oder ähnliche Regelungen, wie die Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte, enthalten.“ „Aber auch bei einem Kaufvertrag über eine Praxis im Gesamten ist von Verpflichtungen des Verkäufers, bestimmte Überleitungsmaßnahmen vorzunehmen, abzusehen“, rät Groove.
Die Berater/innen bei Lyck+Pätzold.healthcare.recht. sind mit den erforderlichen Rechtsgebieten bestens vertraut und kennen auch Ihre Branche sehr genau. Sie können Ihnen daher in jeder Situation helfen, dass Sie die für Sie richtige Entscheidung treffen. Sie stehen für rechtlich fundierte Strategieberatung für Zahnarztpraxen.