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Halber Steuersatz nach Praxisverkauf
Zurück- 9. November 2022
- Lesezeit: 3min
Arbeiten & Organisieren
Wer seine Zahnarztpraxis verkauft, kann den „halben Steuersatz“ in Anspruch nehmen und erhält den Verkaufserlös steuervergünstigt. Doch was, wenn der bereits verbraucht ist, ohne dass die Zahnärztin oder der Zahnarzt davon weiß? Das zeigt der Fall eines Arztes, der nach seinem Praxisverkauf den sogenannten halben Steuersatz in Anspruch nehmen wollte. Er hatte sich aus einer Gemeinschaftspraxis zurückgezogen und seine Anteile verkauft. Für den erzielten Veräußerungsgewinn beantragte er den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Dieser sogenannte halbe Steuersatz beträgt 56 Prozent des normalen Steuersatzes. Jede/r Steuerpflichtige kann ihn nur einmal im Leben in Anspruch nehmen. Was bedeutet: Auch nach dem Verkauf einer Praxis ist es möglich, weiterhin zahnärztlich tätig zu sein, ohne seine steuerlichen Begünstigungen zu gefährden. Allerdings müssen hier spezielle Voraussetzungen beachtet werden, damit es später im Rahmen einer Überprüfung vom Finanzamt nicht zu einem bösen Erwachen kommt. Am unproblematischsten ist die Anstellung in einer Praxis gegen ein festes Gehalt. Hier gibt es weder zeitliche, örtliche noch Umsatzgrenzen. In allen anderen Fällen ist eine enge Abstimmung mit der Steuerberaterin oder dem Steuerberater dringend zu empfehlen.
Eins vorab: Grundsätzlich muss die/der Abgeber/in zur Inanspruchnahme des „halben Steuersatzes“ folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Die/Der Abgeber/in ist älter als 55 Jahre oder dauernd berufsunfähig und
- stellt ihre/seine selbstständige Tätigkeit vollständig für
- eine gewisse Zeit
- im örtlichen Wirkungskreis ein.
Fehler des Finanzamts wirkt sich fatal aus
Im oben genannten Beispiel lehnte das Finanzamt seinen Antrag ab und berücksichtigte stattdessen die Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG). Danach wird eine Einnahme so behandelt, als ob der Empfänger sie gleichmäßig verteilt über die folgenden fünf Jahre erhalten würde. Die Begründung: Der Arzt habe den „halben Steuersatz“ bereits in Anspruch genommen. Der Fehler: Das Finanzamt hatte zehn Jahre zuvor Einkünfte des Arztes als Veräußerungsgewinn erfasst und dafür den halben Steuersatz gewährt. Tatsächlich handelte es sich bei der Zahlung aber um Nachzahlungen der kassenärztlichen Vereinigung an die Gemeinschaftspraxis. Den halben Steuersatz hatte der Arzt jedoch gar nicht beantragt.
Steuersatzermäßigung auch nach Finanzamtfehler weg
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein entschied zunächst zugunsten des Arztes. Der Bundesfinanzhof (BFH) stärkte nun den Fiskus (28.09.2021, Az. VIII R 2/19). Er machte zunächst deutlich, dass die Steuersatzermäßigung definitiv nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden kann. Dies gelte selbst dann, wenn die Vergünstigung in der Vergangenheit zu Unrecht gewährt und vom Steuerpflichtigen überhaupt nicht beantragt wurde. Anders könne man die Sache nur dann beurteilen, wenn sich der halbe Steuersatz in der früheren Steuerfestsetzung nicht ausgewirkt hätte oder durch Anfechtung noch rückgängig gemacht werden könne. Das war hier jedoch nicht mehr möglich, da der Steuerbescheid bereits bestandskräftig geworden war.
Grundsatz von Treu und Glauben
Der Arzt berief sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben – ohne Erfolg. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass der Irrtum des Finanzamts für den Steuerpflichtigen nicht erkennbar war. Das war hier aber nicht der Fall. Hätte der Arzt den Steuerbescheid genauer gelesen, hätte ihm die Gewährung des halben Steuersatzes auffallen können. Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, jeden Steuerbescheid genauestens zu prüfen und im Zweifel anzufechten. Denn im Ergebnis bedeutet das Urteil für den Arzt, dass er für die Veräußerung seiner Praxis mehr Steuern zahlen muss.